Kastor an Pollux über seine Zukunft

[121] Sei unsterblich, weil zum Mutterschoße

Frei ein singend heller Schwan

Führte deines Lichtes Bahn,

Sterblich lag ich doch in selbem Schoße.


Fühlte auch Prometheus Himmelfunken

Frühlings überm Herzen ziehn,

Daß mir Stirn und Adern glühn,

Hoch mein Sinn im frohen Muthe trunken.[121]


Laß vereint uns durch die Zukunft dringen,

Auf und sei mein Weltgenoß,

Mächtig ich auf wildem Roß,

Kräft'ger du in Armes schwellend Ringen.


Laß uns wagen, wo die Tapfern zagen,

Wie zum Spiele, ohne Lohn,

Nimmer locket uns ein Thron,

Jedes Reich nur wollen wir durchjagen.


Jeder trauet, die sich selbst vertrauten,

Und in tapfrer Freundschaft gleich,

Machen wir die Freunde reich,

Streiten, siegen für die Argonauten.


Doch es ruft zu unserm alten Hause

Uns die Todtenstill zurück,

Und wir sehn mit scheuem Blick

Einsam grün den Hof vom Grafe.


Müssen die gefangne Schwester lösen,

Die in fernen Ketten liegt,

Doch, von unserm Glanz besiegt,

Sinkt von ihr die dunkle Macht der Bösen.


Ziehen nun vereint zum Kampf um Liebe

Hier vereinzelt trifft mich Tod,

Doch mein Leben sinkt in Tod,

Wasser gleich im Danaiden Siebe.


Denn es rinnet schon zum neuen Tage

Aus dem dunklen Felsenschlund,

Als mir schenkt dein milder Mund

Deiner Ewigkeiten Hälfte-Tage.[122]


Nimm zurück die milden Göttergaben,

Opfre nicht dein halbes Glück;

Nimmer heitert meinen Blick,

Was dich nicht vereint kann laben.


Was kann mir des Tages Sonne geben,

Wenn nicht mehr dein hell Gestirn

Leuchtet meiner dunklen Stirn?

Mit dem Morgenstern möcht' ich verschweben! –


Quelle:
Achim von Arnim: Sämtliche Werke. Band 22: Gedichte, Teil 1, Bern 1970, S. 121-123.
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