[197] Der Herr da wird verkommen,
Er bloßen Müßiggang treibt,
Hat nichts sich vorgenommen,
Nicht weibt.
Er sitzt auf seinem Hofe
Den ausgeschlagnen Tag,
Sieht nicht, was er bei Hofe
Vermag.
Er steigt nicht gerne Stufen,
Hoffahrt will haben den Zwang;
Wer braucht ihn? der wird rufen:
Nicht lang.
Er wartet auf ein Rufen
Aus seiner innern Brust,
Was Schönes je wir schufen,
Schafft Lust.
Ihm träumt einst Morgens frühe
Er sehe von dem Altan,
Als trieb ein Hirsch so glühe
Bergan.
Geweih, die sind verguldet,
Es zieht zum Schloß ihn so nach,
Zur Fürstin unverschuldet! –
Wird wach![198]
Am Brunnen er sie sahe,
Ganz trocken war ihm sein Mund,
Sprang hin zum Fenster nahe
Zur Stund.
Da sieht er, sieht er eilen
Den Hirsch mit güldnem Geweih,
Er springt ihn zu ereilen
Herbei.
Der Hirsch zieht hin zum Garten
Der Fürstin droben im Land,
Dem Jäger, dem erstarrten,
Verschwand.
Er sieht die Fürstin stehen
Am Bronn wie dorten im Traum,
Noch matt von Kindes-Wehen,
Glaubt's kaum.
Sie wäscht ihr Kindlein kleine
Am kalten Bronnen, daß es schreit,
Der Graf steht wie von Steine
Nicht weit.
Ihr Haar wie Strahlen streuet
Der Wind, die Kron' da liegt,
Das Kindlein, das sich freuet,
Drein wiegt.
»Ach Kindlein, du mußt sterben,«
Die Fürstin weinend da sagt,
»Mein alter Mann sich Erben
Versagt.«[199]
Der Herr beugt seine Kniee,
Nimmt still das Kindlein auf:
Nimm auch die Krone, fliehe
Berg auf.
Er zieht das Kind auf Bergen,
Nach Hause darf er nun nicht,
Im Wald kann er's verbergen,
Da nicht.
Doch als die Glocken schallen,
Der Fürst gestorben da ist,
Zeigt Kron' und Kind er allen
Mit List.
Die Fürstin hoch ihn preiset,
Sie krönt ihr Kindelein zart.
Er alle Noth verweiset:
Wart, wart!
Da unter ihren Räthen
Der Herr ihr gehet zu nah,
Auf's Goldkleid ihr thut treten,
Sie's sah.
Sie mißt ihn mit den Augen:
»Ihr tretet viel mir zu nah,
Mögt wohl für Kinder taugen,
Nicht da.«
Der Herr sich still verbeuget,
Auf's Kind ein Thränelein fällt,
Er sagt; »Wer nimmer steiget,
Nicht fällt.«[200]
Er kehrt mit raschen Schritten
Zu seinem Haus zurück,
Er meint bald riefen Bitten
Zum Glück.
Die Fürsten bitten nimmer,
Er lebt von trockenem Brod,
Und träumt von ihr noch immer
Zum Tod.
Drum hütet euch vor Fürsten,
Denn Freunde werden sie nie,
Ihr möget hungern, dürsten
Für sie.
Dem Vaterlande dienet,
Gedenk' des Blutes, des Gut's,
Seid, weil ihr's euch erkühnet
Gut's Muth's.
Darf sich das Blut nicht mischen,
Der muß auch Lieb' verschmähn,
Der Frost muß ihn erfrischen,
Wähl' den.
Nur in der Liebe Wählen
Hält Zutraun stammende Kraft,
Wo Häuser sich vermählen,
Kein Saft.
Buchempfehlung
In die Zeit zwischen dem ersten März 1815, als Napoleon aus Elba zurückkehrt, und der Schlacht bei Waterloo am 18. Juni desselben Jahres konzentriert Grabbe das komplexe Wechselspiel zwischen Umbruch und Wiederherstellung, zwischen historischen Bedingungen und Konsequenzen. »Mit Napoleons Ende ward es mit der Welt, als wäre sie ein ausgelesenes Buch.« C.D.G.
138 Seiten, 7.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro