Ja wüßt' ein Mensch recht, wer er wär'

[86] Ja wüßt' ein Mensch recht, wer er wär',

Das Sterben würd ihm gar nicht schwer;

Das Leben ist nur ein Vergessen

Von dem, was wir in uns besessen;

Das Leben ist nur ein Vermählen

Mit dem, was uns will ewig quälen;

Das Leben ist ein Angewöhnen

An das, was uns will ewig höhnen;

Das Leben ist ein Zeitverderben,

Ein seelentödtend Flucherwerben, –

Ja, wüßt ein Mensch recht, wo er wär',

Er führe heut' noch über's Meer,[86]

Sich neue Welten zu entdecken,

Denn Mond und Sonne sind voll Flecken,

Und diese alte Welt voll Ecken,

Kann blinde Leute leicht erschrecken.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämtliche Werke. Band 23: Gedichte, Teil 2, Tübingen und Berlin 1976, S. 86-87.
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