|
[20] 1.
Schaut, schaut, was ist für Wunder dar?
Die schwarze Nacht wird hell und klar,
Ein großes Licht bricht dort herein,
Ihm weichet aller Sterne Schein.
2.
Es ist ein rechtes Wunderlicht
Und gar die alte Sonne nicht,[20]
Weils, wider die Natur, die Nacht
Zu einem hellen Tage macht.
3.
Was wird hierdurch uns zeigen an
Der die Natur so ändern kann?
Es muß ein großes Werk geschehn,
Wie wir aus solchem Zeichen sehn.
4.
Sollt auch erscheinen dieser Zeit
Die Sonne der Gerechtigkeit,
Der helle Stern aus Jakobs Stamm,
Der Heiden Licht, des Weibes Sam?
5.
Es ist also. Des Himmels Heer,
Das bringt uns jetzt die Freudenmär,
Wie sich nunmehr hab eingestellt
Zu Bethlehem das Heil der Welt.
6.
O Gütigkeit! Was lange Jahr
Ihm hat der frommen Väter Schar
Gewünscht und sehnlich oft begehrt,
Des werden wir von Gott gewährt.
7.
Drum auf, ihr Menschenkinder, auf!
Auf, auf, und nehmet euren Lauf
Mit mir hin zu der Stell und Ort,
Davon gemeld't der Engel Wort.
8.
Schaut hin, dort liegt im finstern Stall,
Des Herrschaft gehet überall!
Da Speise vormals sucht ein Rind,
Da ruht jetzt der Jungfrauen Kind.
9.
O Menschenkind, betracht es recht
Und strauchle nicht, dieweil so schlecht,[21]
So elend scheint dies Kindelein;
Es ist und soll auch uns groß sein.
10.
Es wird im Fleisch hier vorgestellt,
Der alles schuf und noch erhält.
Das Wort, so bald im Anfang war
Bei Gott, selbst Gott, das lieget dar.
11.
Es ist der eingeborne Sohn
Des Vaters, unser Gnadenthron,
Das A und O, der große Gott,
Der Siegsfürst, der Herr Zebaoth.
12.
Denn weil die Zeit nunmehr erfüllt,
Da Gottes Zorn muß sein gestillt,
Wird sein Sohn Mensch, trägt unsre Schuld,
Wirbt uns durch sein Blut Gottes Huld.
13.
Dies ist die rechte Freudenzeit.
Weg Trauern, weg, weg alles Leid!
Trotz dem, der ferner uns verhöhnt!
Gott selbst ist Mensch. Wir sind versöhnt.
14.
Der Sünden Büßer ist nun hier,
Den Schlangentreter haben wir,
Der Höllen Pest, des Todes Gift,
Des Lebens Fürsten man hier trifft.
15.
Es hat mit uns nun keine Not,
Weil Sünde, Teufel, Höll und Tod
Zu Spott und Schanden sind gemacht
In dieser großen Wundernacht.
16.
O selig, selig alle Welt,
Die sich an dieses Kindlein hält![22]
Wohl dem, der dieses recht erkennt
Und gläubig seinen Heiland nennt!
17.
Es danke Gott, wer danken kann,
Der unser sich so hoch nimmt an
Und sendet aus des Himmels Thron
Uns, seinen Feinden, seinen Sohn.
18.
Drum stimmt an mit der Engel Heer:
Gott in der Höhe sei nun Ehr!
Auf Erden Frieden jederzeit!
Den Menschen Wonn und Fröhlichkeit!
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
|
Buchempfehlung
Der junge Naturforscher Heinrich stößt beim Sammeln von Steinen und Pflanzen auf eine verlassene Burg, die in der Gegend als Narrenburg bekannt ist, weil das zuletzt dort ansässige Geschlecht derer von Scharnast sich im Zank getrennt und die Burg aufgegeben hat. Heinrich verliebt sich in Anna, die Tochter seines Wirtes und findet Gefallen an der Gegend.
82 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro