Lied nach der Schlacht bei Collin

[35] den 18. Juni 1757.


Zurück, rief Vater Friederich,

Zurück, rief er, zurück!

Nachdenkend dacht' er schon bei sich:

Gott giebt dem Feinde Glück.


Wir aber stürmten noch das Nest,

Wir wollten noch hinan!

Wir kletterten, wir hielten fest

Uns an einander an.


Und sagten dem, der oben stand:

Wie kommen wir herauf?

Und schlugen tapfer Hand in Hand,

Und halfen uns hinauf.


Da stürzte von Kartätschensaat

Getroffen, eine Schar

Von Helden, ohne Heldenthat,

Die halb schon oben war!


Das sahe Friedrich. Himmel! Ach!

Wie blutete sein Herz!

Wie stand, bei mitleidsvollem Ach,

Sein Auge Himmelwärts!
[35]

Was für fanftmüt'ge Blicke gab

Sein Heldenangesicht!

Laßt, rief er, Kinder, laßt doch ab!

Mit uns ist Gott heut' nicht.


Da ließen wir den blöden Feind

In seinem Felsennest.

Nun jubelt er! o Menschenfreund!

Nun hat er Siegesfest.


Wie kann er aber? Brüder, sagt!

Er kann ja nicht, fürwahr!

Denn haben wir ihn nicht gejagt,

So weit zu jagen war?


Wir stritten, nicht mit Roß und Mann,

Mit Felsen stritten wir.

Hier, Heldenbrüder, bind' er an.

Hier, Brüder, sieg' er! hier!


Du Feind! herab in grünes Feld,

Und weise freie Brust,

Und streit und sieg und stirb ein Held!

Hier ist zu sterben Lust!


Allein der Blöde wagt sich nicht,

Wir mögen lange stehn

Und auf ihn warten. Friedrich spricht:

Geht, Kinder! Laßt uns gehn.

Quelle:
Johann Wilhelm Ludwig Gleim: Ausgewählte Werke, Leipzig 1885, S. 35-36.
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Preußische Kriegslieder
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