Schnitterlied

[41] Wir schnitten die Saaten, wir Buben und Dirnen,

Mit nackenden Armen und triefenden Stirnen,

Von donnernden dunkeln Gewittern bedroht –

Gerettet das Korn! Und nicht einer, der darbe!

Von Garbe zu Garbe

Ist Raum für den Tod –

Wie schwellen die Lippen des Lebens so rot!


Hoch thronet ihr Schönen auf güldenen Sitzen,

In strotzenden Garben umflimmert von Blitzen –

Nicht eine, die darbe! Wir bringen das Brot!

Zum Reigen! Zum Tanze! Zur tosenden Runde!

Von Munde zu Munde

Ist Raum für den Tod –

Wie schwellen die Lippen des Lebens so rot!


Quelle:
Conrad Ferdinand Meyer: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 2, München 1968, S. 41.
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