Der Tod des Carus

[10] 1830.


Mutig stand an Persiens Grenzen Roms erprobtes Heer im Feld,

Carus saß in seinem Zelte, der den Purpur trug, ein Held.


Persiens Abgesandte beugten sich vor Roms erneuter Macht,

Flehn um Frieden an den Kaiser; doch der Kaiser wählt die Schlacht.


Kampfbegierig sind die Scharen, die er fern und nah beschied,

Durch das Heer, aus tausend Kehlen, ging das hohe Siegeslied:


Weh den Persern, Römer kommen, Römer ziehn im Flug heran,

Rächen ihren Imperator, rächen dich, Valerian!


Durch Verrat und Mißgeschick nur trugst du ein barbarisch Joch;

Aber, starbst du auch im Kerker, deine Rächer leben noch!


Wenn zu Pferd stieg Artaxerxes, ungezähmten Stolz im Blick,

Setzte seinen Fuß der König auf Valerians Genick.


Ach, und Rom in seiner Schande, das vordem die Welt gewann,

Flehte zum Olymp um einen, flehte nur um Einen Mann!


Aber Männer sind erstanden, Männer führen uns zur Schlacht:

Scipio, Marius und Pompejus sind aus ihrem Grab erwacht!
[10]

Unser Kaiser Aurelianus hat die Goten übermannt,

Welche deinen Wundertempel, Ephesus, zu Staub verbrannt.


Unser Kaiser Aurelianus hat die stolze Frau besiegt,

Welche nun im stillen Tibur ihre Schmach in Träume wiegt.


Probus führte seine Mauer durch des Nordens halbe Welt,

Neun Germanenfürsten knieten vor dem römischen Kaiserzelt.


Carus, unser Imperator, sühnt nun auch die letzte Schmach,

Geht mit Heldenschritt voran uns, Heldenschritte folgen nach.


So der Weihgesang. Und siehe, plötzlich steigt Gewölk empor,

Finsternis bedeckt den Himmel, wie ein schwarzer Trauerflor.


Regen stürzt in wilden Güssen, grausenhafter Donner brüllt,

Keiner mehr erkennt den Andern, Alles ist in Nacht verhüllt.


Plötzlich zuckt ein Blitz vom Himmel. Viele stürzen bang herbei,

Denn im Zelt des Imperators hört man einen lauten Schrei.


Carus ist erschlagen! Jeder tut auf Kampf und Wehr Verzicht,

Und es folgt des Heers Verzweiflung auf die schöne Zuversicht.


Alle fliehn, das Lager feiert, wie ein unbewohntes Haus,

Und der Schmerz der Legionen bricht in laute Klagen aus:


Götter haben uns gerichtet, Untergang ist unser Teil;

Denn des Kapitols Gebieter sandte seinen Donnerkeil!


Untergang und Schande wälzen ihren uferlosen Strom:

Stirb und neige dich, o neige dich zu Grabe, hohes Rom!


Quelle:
August Graf von Platen: Werke in zwei Bänden. Band 1: Lyrik. München 1982, S. 10-11.
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