Kaplied

[109] Auf, auf! ihr Brüder und seid stark,

Der Abschiedstag ist da!

Schwer liegt er auf der Seele, schwer!

Wir sollen über Land und Meer

Ins heiße Afrika.


Ein dichter Kreis von Lieben steht,

Ihr Brüder, um uns her:

Uns knüpft so manches theure Band

An unser deutsches Vaterland,

Drum fällt der Abschied schwer.[109]


Dem bieten graue Eltern noch

Zum letzten Mal die Hand;

Den kosen Bruder, Schwester, Freund;

Und alles schweigt, und alles weint,

Todtblaß von uns gewandt.


Und wie ein Geist schlingt um den Hals

Das Liebchen sich herum:

Willst mich verlassen, liebes Herz,

Auf ewig? und der bittre Schmerz

Macht's arme Liebchen stumm.


Ist hart! drum wirble du, Tambour,

Den Generalmarsch drein.

Der Abschied macht uns sonst zu weich,

Wir weinten kleinen Kindern gleich;

Es muß geschieden sein.


Lebt wohl, ihr Freunde! Sehn wir uns

Vielleicht zum letzten Mal,

So denkt, nicht für die kurze Zeit,

Freundschaft ist für die Ewigkeit,

Und Gott ist überall.


An Deutschlands Grenze füllen wir

Mit Erde unsre Hand,

Und küssen sie, das sei der Dank

Für deine Pflege, Speis' und Trank,

Du liebes Vaterland!


Wenn dann die Meereswoge sich

An unsern Schiffen bricht,

So segeln wir gelassen fort;

Denn Gott ist hier und Gott ist dort,

Und der verläßt uns nicht!


Und ha, wenn sich der Tafelberg

Aus blauen Düften hebt,

So strecken wir empor die Hand,

Und jauchzen: Land! ihr Brüder, Land!

Daß unser Schiff erbebt.[110]


Und wenn Soldat und Offizier

Gesund ans Ufer springt,

Dann jubeln wir, ihr Brüder, ha!

Nun sind wir ja in Afrika.

Und alles dankt und singt.


Wir leben drauf in fernem Land

Als Deutsche brav und gut,

Und sagen soll man weit und breit,

Die Deutschen sind doch brave Leut',

Se haben Geist und Muth.


Und trinken auf dem Hoffnungskap

Wir seinen Götterwein,

So denken wir, von Sehnsucht weich,

Ihr fernen Freunde, dann an euch;

Und Thränen fließen drein.

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 109-111.
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