Siebentes Bruchstück

Die Fragen des Jüngers Upasīvo

[246] Upasīvo:


1069

Allein, o Sakko, dieser großen Springflut,

Auf nichts gestützt, ich kann ihr nicht entkommen:

Wo Halt ich habe, sag' mir, Allgeäugter,

Worauf gestützt entkommt man wohl den Fluten?


Der Herr:


1070

Nichtdasein wo du gründlich hast begriffen,

Das Nichts als Stütze brauchst, entkommst du über:

Der Wünsche ledig, ohne Lust an Worten,

Den Durst zu tilgen Tag und Nacht beflissen.


Upasīvo:


1071

Im Wunschbereiche Reizen ganz entgangen,

Nichtdasein wer, nichts weiter braucht, als Stütze:

Der letzten Fühlung um zu werden ledig,

Steht also stetig da man unerbeugsam?


Der Herr:


1072

Im Wunschbereiche Reizen ganz entgangen,

Nichtdasein wer, nichts weiter braucht, als Stütze:

Der letzten Fühlung um zu werden ledig,

Steht also stetig da wohl unerbeugsam.


[247] Upasīvo:


1073

Steht also stetig da man unerbeugsam,

Vorbei wo Jahre jagen, Allgeäugter:

Kann so man kühl geworden hier verschwinden,

Wer also weilt, entweicht ihm das Bewußtsein?


Der Herr:


1074

Gleichwie die Fackel, umgestürzt im Sturme,

Verglimmen wird, erlöschen wird unkennbar:

So läßt von Namen los, von Leib der Denker,

Verglimmen der, erlöschen wird unkennbar.


Upasīvo:


1075

Verglommen also ist er dann vernichtet,

Auf ewig oder selig dann genesen?

Das mag der Denker hold mir offenbaren:

Denn sicher hast ersehn du solche Satzung.


Der Herr:


1076

Verglommen ist er unvergleichbar worden,

Gedeutet irgend an, ihm gilt es nimmer:

Sind alle Dinge allgemach entwurzelt,

Ist alle Macht entwurzelt auch der Worte.

Quelle:
Die Reden Gotamo Buddhos. Bd. 3, Zürich/Wien 1957, S. 246-248.
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